Mies

Ludwig Mies van der Rohe war von 1930 bis 1933 der dritte und letzte Direktor des Bauhauses. Das Gebäude des künftigen Dessauer Bauhaus-Museums entsteht an einem Ort, der eines Tages nach ihm benannt werden soll. Adresse: Mies-van-der-Rohe-Platz 1. Das Museum wird das einzige Gebäude mit der Adresse Mies-van-der-Rohe-Platz sein.

Was würde Mies wohl davon halten? Hätte der Ort die Qualität eines urbanen Raumes, der die Bezeichnung als Platz rechtfertigen würde? Er wäre der Vorplatz eines Gebäudes, okay, aber doch kein Platz, der einer Adresse einen Namen geben könnte. Er wäre ein kleiner Museumsvorplatz in der Kavalierstraße. Nicht mehr und nicht weniger.

Was soll also dieser „Platz“? Er soll wohl das Vermächtnis der jetzigen Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau sein. Viel mehr wird von ihr nicht bleiben. Sämtliche Projekte des jetzigen Bauhauses waren bereits angeschoben, als sie im August 2014 Direktorin wurde. Bemerkenswerte von ihr initiierte Projekte sind nicht bekannt.

Aber sie ist die Direktorin, die man sich im Magdeburger Kultusministerium gewünscht hat. Ihr Vorgänger Philipp Oswalt, der sehr engagiert war, was sein Umfeld inspirierte aber auch enorm forderte und gelegentlich überforderte (was weder gegen Oswalt noch sein Umfeld spricht), hat sich wohl einmal zu oft als nicht ausreichend unterwürfig gegenüber dem damaligen Kultusminister Stephan Dorgerloh gezeigt. So suchte man eine Person, die auf dem Direktorenstuhl nicht weiter stört, und fand diese in Claudia Perren.

Aber zurück zum Platz. An der Namensgebung nach Mies van der Rohe stören sich einige besorgte Bürger. Sie stellen die Frage, ob es gut sei, wenn der Platz nach einer Person benannt würde, die im August 1934 den von Joseph Goebbels formulierten „Aufruf der Kulturschaffenden“ unterzeichnet hat. Diese besorgten Bürger kommen aus dem Umfeld von NPD, Freien Kameradschaften und AfD.

Zuerst gab es diesbezüglich eine Anfrage als Bürgerfrage im Dessau-Roßlauer Stadtrat. Der Frager, ein Aktivist in der Rechtsextremenszene, verwies auf Mies‘ Unterschrift unter diesen Aufruf. Die Vertreter der Stadtverwaltung und des Stadtrates saßen da wie paralysiert. Niemand wusste zu antworten, auch keiner der großartigen Verfechter des Namens Bauhausstadt. Dabei hätte jemand, der sich fürs Bauhaus interessiert und also auch über die entsprechende Sachkenntnis verfügt, die Unterschrift in ihren Zusammenhang einordnen können. Diese Sachkunde war nicht vorhanden. Das ist, nebenbei bemerkt, ein weiterer Grund dafür, dass die Stadt des Beinamens „Bauhausstadt“ nicht würdig ist.

Mies war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung in Bedrängnis. Ein Jahr zuvor musste er das Bauhaus schließen. Er galt als „Kulturbolschewist“. Es lief ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Unterschlagung, das erst Ende 1934 eingestellt wurde.

Andererseits stand das Dritte Reich kulturpolitisch noch am Anfang. Goebbels vertrat eine modernere Linie, in der Mitunterzeichner des Aufrufs wie Emil Nolde oder Ernst Barlach, den er besonders mochte, ihren Platz haben sollten. Dass er sich nicht gegen Alfred Rosenbergs Ansichten durchsetzen konnte, stand zu dem Zeitpunkt noch nicht fest. Die Frage, ob Mies bei einer moderneren Kulturpolitik, wie sie etwa im faschistischen Italien üblich war (Stichwort Futurismus), mit den Nazis zusammengearbeitet hätte, ist spekulativ. Die Aufforderung zum Unterzeichnen mag ihm als Hoffnungsschimmer erschienen sein. Die Unterzeichnung selbst war ein Akt des Opportunismus, dem keine Verquickung mit dem NS-Regime folgte.

Welchen eigentlichen Grund die Anfrage hat, ist aus den einleitenden Worten des AfD-Landtagsabgeordneten Hannes Loth zu seiner Kleinen Anfrage in dieser Sache an die Landesregierung ersichtlich: „Nachdem unser Land, durch die Umbenennungsbegehren unserer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hinsichtlich unsere Kasernen, durcheinander gerüttelt wird, stellt sich die Frage, wie mit der Benennung des Platzes an dem neu errichteten Bauhausmuseum in Dessau umgegangen werden soll.“ (KA 7/984 vom 17.07.2017)

Die Anfrage ist also in erster Linie eine trotzige Reaktion auf die Umbenennung von Bundeswehrkasernen, die jahrzehntelang nach Helden des zweiten Weltkriegs benannt waren, und damit auch eine Reaktion auf die jahrzehntelang  ausgeübte Traditionspflege der Bundeswehr. Es geht in der Anfrage eindeutig nicht um ein etwaiges Mitläufertum eines Ludwig Mies van der Rohe, denn die besagten Kriegshelden, deren Namen von den Anfragenden nun schmerzlich vermisst werden, waren mehr als nur Mitläufer in einer Zeit, in der Mies schon längst im Exil war.

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