Rassismus in der Moritzburg

„Ich verstehe Ihr Problem nicht.“, sagte Seggen Mikael neulich bei einer von Andreas Montag (Mitteldeutsche Zeitung) moderierten Podiumsdiskussion in der Moritzburg Halle. Es ging bei dieser Diskussion um den Umgang mit Kunstwerken, deren Inhalt als diskriminierend empfunden werden kann. Seggen Mikael ist eine Schwarze. Sie leitet das Dok.network Africa des Dokumentarfilmfestivals München.

Ihr eingestandenes Nichtverständnis bezog sich auf die Ausführungen eines Herrn im Publikum zu einem in der Moritzburg hängenden Gemälde, über das offenbar in der Diskussion gesprochen wurde. Der Herr meinte, dass man das von Theodore Lux Feininger geschaffene Bild bei seinem ursprünglichen Namen nennen solle. Dieser Name lautet „The Nigger of the ,Narcissus’“. In der Moritzburg hatte man sich statt für „Nigger“ erst für „N.“ und dann für „N“ entschieden.

Das erinnert mich an einen Beitrag auf MDR Aktuell. Dort wurde vor einiger Zeit von einer Anhörung in den USA zum Sturm aufs Kapitol berichtet. Dort sprach ein schwarzer Wachmann davon, als „Nigger“ beschimpft worden zu sein. Im englischen Originaltext fiel dieses Wort, die deutsche Übersetzung dafür lautete „N-Wort“. Eine Differenzierung zwischen „nigger“ und „negro“ ist somit unmöglich. Gleiches bemerkte auch der Herr in seinem Diskussionsbeitrag bezüglich des Gemäldes.

Seggen Mikael spricht sich gegen die Verwendung dieser Begriffe aus. Sie meint, es sei unmöglich, einen rassistischen Begriff nicht rassistisch zu verwenden. Wenn das stimmte, dann wäre auch der von vielen Menschen rassistisch verwendete Begriff „Jude“ tabu.

Das Feininger-Bild „The Nigger of the ,Narcissus’“ bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von Joseph Conrad. Auch dieser wurde schon umbenannt: „The N. of the ,Narcissus’“, „Der Bimbo von der ,Narcissus’“ und „Der Niemand von der ,Narcissus’“

Frau Mikael weist darauf hin, dass das Urheberrecht für Conrads Werke abgelaufen sei, so dass man auf seine Intentionen keine Rücksicht mehr nehmen müsse. Ist es also richtig – so fragt Eger, der in der Freitagsausgabe der Mitteldeutschen Zeitung berichtete – die „diskriminierenden Wörter nicht allein aus der Gegenwart, sondern aus den Dokumenten der Vergangenheit zu tilgen? Aus Kunstwerken?“

In diesem Zusammenhang kommt mir die Idee, dass eine politisch korrekte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ sehr interessant sein könnte. Dieses Werk ist seit 2015 frei vom Urheberrecht.

Gegenüber dem besorgten Herrn bringt Frau Mikael das übliche Totschlagargument: „Sie sind nicht von Rassismus betroffen, also können Sie auch nicht Rassismus definieren. Tut mir leid.“

Ich glaube, in dem Moment war der besorgte Herr von Rassismus betroffen, auch wenn es ihm selbst vielleicht nicht bewusst war. Ihm wird eine geistige Fähigkeit abgesprochen, über die er lediglich aufgrund seines Weißseins angeblich nicht verfügt.

2 Gedanken zu “Rassismus in der Moritzburg

  1. Ja, der Wahnsinn galoppiert.
    Neulich im Elvis-Kinofilm verwendeten in der deutschen Synchronisation selbst die texanischen Rock&Roll Feinde, die rassistischen alten Säcke, kein „N-Wort“. Das klingt so albern!

    Nächstens bei der Onkel Toms Hütte Verfilmung:
    „Hier ein People of Color für 500 Dollar!“

    Da muss einem doch übel werden!

    Aber ich ahne, dass man aus eben diesem komplizierten Grund „Onkel Toms Hütte“ nicht noch mal remaken wird. Kann vergessen werden. Umso leichter schlucken dann die Youngsters das Märchen vom Melting Pott Amerika. Hosianna!

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