Karl-May-Indianer

In der heutigen Mitteldeutschen Zeitung findet man ein Interview mit Dirk Michaelis, dem Sänger, dem mit „Als ich fortging“ ein veritabler Hit gelang.

Die erste Frage an ihn lautet: „Als Kind wollten Sie sein wie?“, worauf er antwortet „Tokei-Ihto“. Daran erkennt man die DDR-Sozialisation. Tokei-Ihto ist die Hauptfigur in Liselotte Welskopf-Henrichs Romanen über „Die Söhne der großen Bärin“, die in der DDR ihre Leser fand. Der gleichnamige Film tat sein Übriges zur Popularisierung der Figur.

Und so wird Michaelis‘ einfache Antwort „Tokei-Ihto“ wohl von den meisten MZ-Lesern verstanden. Die Redaktion sieht das anders. Sie merkt erklärend an: „(Karl-May-Indianer, Anm. d. Red.)“.

Anfänglich hatte ich das Gefühl, wieder ein Exempel altbundesdeutscher Ignoranz gepaart mit neubundesdeutschem Desinteresse an der eigenen Geschichte vor mir zu haben. Dann geriet ich jedoch ins Grübeln. Vielleicht ist ja etwas dran? Die Zeitungsleute sind schließlich Profis. Je mehr und tiefgründiger ich nachdachte, umso mehr kam ich zu dem Schluss, dass die Redaktion recht hat.

Denn im Film wurde Tokei-Ihto von Gojko Mitić gespielt, der, wie jeder Ex-DDRler mit ausreichend Nachwendesozialisierung weiß, der „Winnetou des Ostens“ genannt wird. So kann Tokei-Ihto natürlich nur ein Karl-May-Indianer sein.

Ein Gedanke zu “Karl-May-Indianer

  1. Eventuell hat er im Interview den Namen Gojko Mitic hinterhergeschoben. Die nun Redaktionsmitarbeiter sind, sind unter 50, die kennen dann nur dessen Bad Segebergkarriere.

    Ja, schade. Das mit den langzeit gesicherten Allgemeingütern. Alles im Schwinden.

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